Internationale Wissenschaftler um Josef Rauschecker vom Georgetown University Medical Center konnten jetzt zeigen, dass von Geburt an blinde Menschen, die Gehirnregionen, die eigentlich für das Sehen zuständig sind, nicht verkümmern lassen, sondern anderweitig nutzen. Denn anstatt diese Ressourcen verkümmern zu lassen, nutzt unser Gehirn sie, um andere Sinneseindrücke besser verarbeiten zu können. Auf diese Weise erlangen blinde Menschen einen erstaunlich guten Tastsinn. Außerdem wird auch ihre Hörfähigkeit gesteigert, was ihnen beides hilft, sich besser im Leben zurechtzufinden. Diese „Umrüstung“ des Sehzentrums zeigt also einen effektiven Nutzen und zeigt, wie flexibel unser Körper auf verschiedene Situationen reagieren kann und sich unausweichlichen Umständen anpasst.
Verarbeitung der Sinneseindrücke
Laut dieser Studie werden die Gehirnareale, die eigentlich für das Sehen zuständig sind, dann zum Fühlen und Hören verwendet. Also werden dann nicht nur diejenigen Gehirnbereiche, die für das Sehen und Fühlen verantwortlich sind, genutzt, sondern eben auch die ansonsten ungenutzten Sehzentren. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, warum Blinde sowohl Tastreize als auch Lautsignale viel besser wahrnehmen als sehende Personen.
Studienaufbau
In der Studie untersuchten die Wissenschaftler zwölf blinde Menschen und zwölf sehende Leute mit Hilfe einer Magnetresonanztomografie. Auf diese Weise können diejenigen Gehirnbereiche, die gerade aktiv sind, sichtbar gemacht werden. Die Probanden mussten währenddessen verschiedene Aufgaben lösen, die den Hör- oder Tastsinn erforderten. Beispielsweise bestand eine Aufgabe darin, die Ausgangsrichtung bestimmter Töne zu nennen. Eine andere verlangte das Erspüren feiner Vibrationen an den Fingern.
Studienauswertung
Bei der Auswertung wurden die Unterschiede in der Verarbeitung der Sinneseindrücke von Sehenden und Blinden deutlich. Bei den sehenden Probanden wurden ausschließlich die Gehirnareale für den Bereich „Tasten“ und „Hören“ aktiv, während sich bei den blinden Teilnehmern zusätzlich eine Aktivität im Sehzentrum feststellen ließ. Je stärker diese Aktivität im Sehzentrum war, desto besser konnte der Blinde die Aufgaben zu den Tast- und Hörsinnen lösen. Josef Rauschecker erklärt, dass dies beweist, dass bei blinden Personen die Sehzentren keineswegs verkümmern, sondern andere Funktionen übernehmen und so die Leistung steigern können.
Sehzentrum
Das Sehzentrum ist eines der am höchsten entwickelten Bereiche in unserem Gehirn. Es wird auch als visueller Cortex oder Sehrinde bezeichnet. Diese Studie beweist, dass unser Gehirn selbst solch spezialisierte Areale wie das Sehzentrum flexibel zu nuten weiß, damit es eine optimale Leistung bekommt. So müssen diese Bereiche bei Blinden keineswegs verkümmern oder sind nutzlos, sondern tragen einen wichtigen Anteil an der Informationsverarbeitung. Dies zeigt sich auch in den geschärften Sinnen von unseren blinden Mitbürgern. Wiedereinmal zeigt sich, dass Mutter Natur ein hervorragender Baumeister ist.
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